Bäckerstraße
Ab 1992 wurde in der Bäckerstaße mit Renovieungsarbeiten begonnen. Heute umfassen die Häuser in der Bäckerstraße 15 – 20, durch die Stiftung instand gesetzte Häuser, einen Großteil des Quartiers.
Bäckerstraße 15
alte Adresse:
Bäckergasse 522 (1804-1812), Bäckergasse 457 (1824-1834), Bäckerstraße 457 (1846-1874)
Baujahr:
zwischen 1730-1760, abgerissen ca. 1970
Bauart:
Spätbarock, Eckhaus, nachträglich verputzter Fachwerkbau
Baugeschichte:
Der bis in die 1970er Jahre existierende Altbau an der Ecke zur Pfaffengasse war ein dreigeschossiger, zuletzt verputzter, spätbarocker Fachwerkbau. Das 2. Obergeschoss war leicht auskragend, das Dach mit einem Krüppelwalm zur Pfaffengasse orientiert. Die geringere Fensterhöhe des 1. Obergeschosses lässt auf ein Zwischengeschoss als Lageretage schließen. Aufgrund der Gebäudetypologie ist eine Bauzeit zwischen 1730-1760 zu vermuten. Der Vorgänger dieses Hauses wurde ein Opfer des Stadtbrandes von 1712. Zu dem im 18. Jahrhundert erstellten Neubau gesellten sich später noch zwei Nebengebäude an der Pfaffengasse. An dem jüngeren (dem südlich gelegenen) Nebenhaus wurden 1876 größere Reparaturen notwendig. Der Stall wurde zum Teil auch als Waschhaus genutzt. Die Bauarbeiten waren so umfangreich, dass die Erneuerung des Gebäudes nahezu einem Neubau gleich kam.1886 erfolgte am Nebenhaus der Bau einer massiven Etage anstelle der alten Fachwerkkonstruktion, wobei zusätzlich noch ein massives Drempelgeschoss aufgesetzt wurde. Alle Fenster bekamen bei diesem Umbau eine Stichbogenform. Im Jahre 1907 ließ der nunmehrige Hauseigentümer August Himler das Hintergebäude erneut erheblich um- und ausbauen. Dabei wurde die Fenster- und Eingangsgliederung des Erdgeschosses auf der Straßenseite geändert und die Halbetage mit dem Dachgeschoss auf einer Breite von vier Fensterachsen zum vollwertigen Geschoss angehoben, um es zu Wohnzwecken auszubauen. Die Hoffassade am Südflügel des Hauses wurde vollständig als Mauerwerksarbeit neu aufgeführt. Das Hauptgebäude verwahrloste in späteren Jahrzehnten. Bildmaterial aus den 1950er Jahren dokumentiert den sehr schlechten Zustand. Zwischen 1970 und 1980 erfolgte der Abriss des gesamten Gebäudekomplexes. Ein Schreiben des Bauamtes vom 8. Mai 1970 bescheinigt bezüglich der Grundsteuerveranlagung: „Das Grundstück Bäckerstraße 15 wird zur Zeit nur noch von einer Frau bewohnt und wird nach endgültiger Beräumung abgebrochen. Die Sperrung dieses Gebäudes läuft bereits seit 1967 und wurde … in kurzen Zeitabständen nach und nach geräumt. Die bei uns vorliegende Sperrung [als Wohnraum] wurde am 8.11.1967 ausgestellt, so daß … ab diesem Termin die Grundsteuer gemindert bzw. gänzlich entfallen kann.“ Die nach dem erfolgten Abriss entstandene Baulücke wurde 1997 mit einem Neubau mit drei jeweils rund 106 qm großen Wohnungen mit Balkon bzw. Terrasse durch den neuen Eigentümer TONI IMMOBILIEN Dr. Krafft KG geschlossen. Am 26. Februar 1998 war Baubeginn des neuen Wohnhauses und am 13. Juli 1998 der Rohbau fertiggestellt. Die Kubatur und Fassadengliederung des neuen Hauses nimmt deutliche Anleihen aus den beseitigtem Altbestand: ein auskragendes Obergeschoss erhebt sich auf zwei Untergeschossen, das mit einem Krüppelwalm nach der Pfaffengasse ausgebildete Dach, sowie die Fensteranordnung und Lage des Hauseingangs. Ein leicht hinter die Fassadenflucht des Hauptgebäudes zurückspringender Anbau an der Pfaffengasse nimmt die Stelle des älteren Nebenhauses ein und schließt das neue Ensemble ab. An der Stelle des neueren (zuletzt 1907 umgebauten) Nebenhauses bietet eine Fläche Anwohnerparkplätze.
Eigentümer
Johann Friedrich Dietrich, Barbier aus Sangerhausen, legt am 25. August 1752 den Bürgereid ab und kauft am 24. Februar 1762 das Haus Beckergasse/Ecke Pfaffengasse für 1.650 Taler. Die Zwangsversteigerung erfolgt keine 5 Jahre später am 12. September 1766 für 1.430 Taler, da der Barbier in Konkurs ging. Das Haus wurde von Johann Andreas Scheidemann, einem Leineweber, erworben. (Quelle: Zuschreibungsregistraturen des Stadtgerichts, LASA, Nr. 1 Bd. 3 Film3, S. 745 Nr. 1250).
Anno 1804 gehört das Haus einem Herrn Grimm, 1824 dem Schneidermeister Gottlieb Werpupp, der es laut gerichtlichem Protokoll vom 31. Mai 1828 für 2.700 Taler in Gold dem beim Nordhäuser Rat dienstverpflichteten Königl. Geheimen- und Stadt-Sekretair Johann Samuel Bosse verkauft. Nach seinem Tode erhält die Witwe Natalie Bosse, geb. Rode (1846/1865), das Haus in Eigentum und Wohnsitz. Von 1866 bis 1870 ist ihr Sohn, der Chemiker Bernhard Bosse, als Haupterbe und Bewohner belegt. Die Erben entschließen sich zum Verkauf an den Nordhäuser Maurermeister Joseph Heber. Der Kaufvertrag vom 14. Dezember 1869 weist eine Summe von 4.200 Talern aus. Die Übergabehandlung erfolgt am 16. März 1870. Seine berufliche Ausbildung machen es Heber in der Folgezeit (1876 u. 1886) möglich, größere bauliche Veränderungen, in erster Linie an dem Nebenhaus entlang der Pfaffengasse, vorzunehmen. Er stirbt in den 1890er Jahren und seine Frau Auguste, geb. Müller, veräußert mit Vertrag vom 31. März 1896 das Grundstück an den Lokomotivführer August Himler und seine Ehefrau Auguste, geb. Wagner, zu gleichen Teilen für 22.000 Reichsmark. August Himler geht 1912 in den Ruhestand und verstirbt in den frühen 1920er Jahren. Die verringerten Rentenbezüge durch den Tod des Ehemanns bereiten der hinterbliebenen Ehefrau vermutlich Probleme. Offenbar können auch die Erträge aus den vermieteten Wohnungen des geräumigen Hauses keine Besserung herbeiführen. 1927 gibt es einen Zwangsversteigerungsvermerk. Mit Eintrag vom 31. März 1928 erhält schließlich Elisabeth Schulze, geb. Himler, Ehefrau des Schriftsetzers Otto Schulze in Nordhausen, das Haus. Das Grundstück bleibt über die DDR-Zeit hinweg auf dem Erbweg der Familie Schulze erhalten, das Haus jedoch nicht. Die letzte Bewohnerin zog um 1970 aus.
Zum Vergleich: 1937 waren noch 14 erwachsene Personen als Bewohner registriert. Das letzte Geschäft im Haus war ein von der staatlichen Handelsorganisation (HO) geführter Lebensmittelladen in den 1950er Jahren. Im Jahre 1992 erfolgte der Kauf von den Erben Ursula Wolter, Otto Schulze, Erich Schulze, Gisela Lenz, geb. Schulze, Dr. Günter Schulze und Elisabeth Perlbach für 45.480 DM durch Caroline und Andreas Lesser, München. Die Schenkung an die Friedrich-Christian-Lesser-Stiftung erfolgte im Jahr 2000.
Bäckerstraße 18
alte Adresse:
Bäckergasse 519 (1804-1812), Bäckergasse 454 (1824/1834), Bäckerstraße 454 (bis 1846-1874)
Baujahr:
um 1730
Bauart:
Barock, Wohn- und Brauhaus, dreifach höhengestaffelter Fachwerkbau mit östlich gelegenen,
hinter die Fassadenflucht zurückspringenden Torgebäude
Baugeschichte:
Unter der Hausnummer Bäckerstraße 18 sind drei Gebäudeteile zusammengefasst, die dem Anschein nach als konzeptionelles Bauensemble entstanden sind. Das bewegte Fassadenbild an der Straßenfront ist eine gewollte „Unordnung“, hinter der System steckt. Eine derartige Belebung des Baukörpers entspricht nicht unbedingt dem typischen Merkmal des barocken Nordhäuser Fachwerkbaus – dies hebt ihn dennoch in angenehmer Weise hervor. Der aufmerksame Betrachter sieht, wie der uns unbekannte, entwerfende Zimmermann mit Rhythmen der Ein- zu Zweidrittel-Teilung (Goldener Schnitt) gespielt hat. Während der mittlere, dreifensterachsige Gebäudeteil und der westliche große, sechsfensterachsige Teil in einer gemeinsamen Fassadenflucht liegen, nimmt die hinter der übrigen Flucht liegende Torgebäudefassade eine gemeinsame Traufenhöhe in kollektiver Verbundenheit mit dem mittleren Gebäudeabschnitt ein, die allerdings von Osten gesehen, durch den Fluchtversatz eine dreiteilige Höhendifferenz der Dachlandschaft suggeriert. Gekuppelt erscheinen widerum der Mittel- und Westteil, zum einen durch den gemeinsamen Sockel aus zweilagig gesetzten roten Sandsteinblöcken, zum anderen durch die gleiche Ausformung bzw. Dimensionierung des geschossüberleitenden Gurtprofils, das hier die Füllhölzer und Deckenbalkenköpfe bereits in eine Profilebene bringt und durch ein in der darüber liegenden Schwelle eingearbeitetes Birnstabprofil begleitet wird. Auf exakt die gleiche Ausformung treffen wir zwar auch auf der Auskragung des Abschnitts der das Torgebäude aufnimmt, hier aber wiederholt sich das Birnstabprofil sowohl an dem darunter befindlichen Rähm als auch an dem Torsturzbalken, wodurch die Geschossauskragung über der Einfahrt in Summe ein vergleichsweise wuchtiges Aussehen erhält. Nur aus unmittelbarer Nähe lässt sich auch ein leichter Unterschied zwischen der Profilierung des Tor- bzw. Mittelbaus mit der des großen sechsfensterachsigen Gebäudeteils ablesen. Optisch, alle drei Gebäudeteile vereinigend, wirkt die rhythmische Anordnung der geschosshohen Ständer.
Diese bilden im Obergeschoss des dreigliedrigen Bauwerks eine im Nordhausen des 18. Jhs. typische Gestaltungsweise. Hier sind in den Brüstungsfeldern entsprechend kurze senkrechte Hölzer eingefügt, die der Brüstungszone ein leiterartiges Antlitz geben. Diese sogenannte „Leiterbrüstung“ spielt in den Verstrebungsformen der Jahrzehnte nach den beiden großen Stadtbränden (1710 und 1712) in Nordhausen eine herausragende Rolle. Auch die Fensterabmessungen waren ursprünglich einheitlich. Ein baulicher Eingriff des Jahres 1866 am großen Gebäudeteil hat die Fenstersymmetrie an der straßenseitigen Erdgeschossfassade verändert, wobei die Fachwerkkonstruktion in diesem Fassadenbereich entsprechend angepasst werden musste. Ferner wurde dabei auch die Innenraumaufteilung den damaligen Bedürfnissen angepasst. Einen weiteren baulichen Eingriff hat es im 19. Jh. hofseitig am Mittel- und Torgebäude durch die Aufdrempelung eines Stockwerkes gegeben.
Das denkmalgeschützte Haus wurde trotz eines, vor allem im hinteren Bereich sehr schlechten Bauzustandes, 1997 renoviert und bietet neben dem Vorderhaus auch ein rekonstruiertes Hofgebäude, dessen Wohnungen sich über zwei bzw. drei Geschosse verteilen und so interessante Grundrisse bieten. In dem alten Hofgebäude befand sich im 18. und 19. Jh. eine Schmiede.
Eigentümer Einen ersten Eigentümerhinweis zu dem Haus erhalten wir aus dem Wöchentlichen Nordhäusischen Intelligenz-Blatt vom 15. Juni und 24. August 1795, in dem das Haus des verstorbenen Hufschmiedemeisters Georg Wilhelm Günzel „… nachgelassenes in der Beckergasse, neben dem Herrn Senator Mylius und dem Lindemannischen Hause gelegenes Wohn- und Brauhaus …“ für 1400 Reichstaler zum Verkauf steht. 1804 erhält dieses Gebäude die Hausnummer 519 und gehört einer Person Namens Gellert. 1824 ist offenbar wieder ein Familienmitglied des Vorbesitzers Eigentümer des Hauses – ein gewisser Leberecht Günzel, der ebenfalls Schmied ist. Diese Konstellation legt den Verdacht nahe, dass der Name Gellert durch eine zweite Heirat der Witwe des 1795 verstorbenen Georg Wilhelm Günzels in Erscheinung getreten ist und das Haus später auf einen Sohn aus 1. Ehe wieder überging. Auf dem Erbweg erhalten mit Rezess vom 15. Juni 1827 schließlich Friederike Mohrich, geb. Moritz, Witwe des Schmieds Christoph Mohrich in Nordhausen zu einem Viertel und ihr gemeinsamer Sohn, der Goldschmied Christoph Ferdinand Mohrich, zu drei Viertel das Haus. Die jung verwitwete Friederike Mohrich geht vor 1834 eine neue Ehe mit dem der Nordhäuser Schmiedemeister Friedrich Nauendorf ein.
Den Dreiviertelanteil des Stiefsohnes an der Immobilie erwirbt er erst mit Kaufvertrag vom 18. März 1850 für 500 Taler. Im Jahre 1858 wird schließlich sein leiblicher Sohn Johann Wilhelm Friedrich Nauendorf, ebenfalls Schmiedemeister in Nordhausen, Alleineigentümer. Einmal auf dem Erbweg nach dem Tod des Vaters Friedrich Nauendorf zu drei Viertel des Gesamtbesitzes, weil ihm seine Schwester Caroline Teichmüller, geb. Nauendorf, ihren Erbteil mit Überlassungsurkunde vom 17. September 1858 abtrat und zum anderen durch Auszahlung (700 Taler) seiner Mutter, der Witwe Friederike Nauendorf, in erster Ehe verwitwete Mohrich, geb. Moritz (Eintrag 26. März1859). Das Schmiedegeschäft wird derweil ausgebaut. Um 1868 betreibt er auf dem Hof eine Dampfdreschmaschine und unterhält neben der Schmiede zusätzlich eine Maschinenhandlung. Offenbar hat er sich mit dem Ausbau des Betriebes finanziell übernommen. Mit Zuschlagsurteil vom 25. März 1872 fällt die Immobilie für 4.200 Mark an den Fabrikanten Friedrich (Eintrag 24. Oktober 1873). Dieser verkauft sie kurze Zeit später mit sattem Gewinn für 6.500 Mark an die drei Kupferschmiedemeister Wilhelm Cöler, Karl Heinemann und Heinrich Heinemann (Eintrag 06. Februar1874). Die Gebrüder Heinemann betreiben die gemeinsame Schmiede in der Bäckerstraße schon bald allein und zahlen ihren Kompagnon Cöler, der eine eigene Schmiede am Taschenberg 1 unterhält, aus (Eintrag 6. Oktober 1876). Sie geben den Hof Ihrerseits durch Auflassung vom 28. März 1878 an den jüdischen Geschäftsmann Israel Gustav Goldschmidt aus Nordhausen ab. Er betreibt dort mit einigem Erfolg eine Fell-, Häute- und Produktenhandlung. Nach seinem Tod 1897 führt seine Witwe Henriette Goldschmidt, geb. Weinstein den Handel fort. Ihr folgt mit dem Kohlenhändler Karl Lutze ein weiterer langjähriger Hauseigentümer. Sein Kauf über 19.000 Mark wurde am 10. Oktober 1905 im Grundbuch eingetragen. Der nächste Eigentümer wird am am 14. Januar 1929 die Malermeisterfamilie Jödicke für 18.000 Mark, die bereits seit 1907 als Mieter im Grundstück nachweisbar ist. Käufer ist Paul Jödicke, welcher auch 1961 noch genannt wird, 1949 und 1988 wird ein Hans Jödicke erwähnt. 1991 gehört das Haus Klaus Dieter Heber und Brigitte Heber, geb. Worliczek. Von ihnen erwirbt es 1994 die TONI IMMOBILIEN Dr. Krafft KG, München für 200.000 DM. Im Jahr 2000 erfolgt die Schenkung an die Friedrich-Christian-Lesser-Stiftung.
Bäckerstraße 19
Alte Adresse:
Bäckergasse 517/518 (1804-1812), Bäckergasse 453 (1824/1834), Bäckerstraße 453 (1846-1874)
Baujahr:
um 1730 zwei Häuser, um 1800 baulich überformt und verschmolzen
Bauart:
Klassizismus, im Kern Barock, Wohnhaus, vermutl. auch Brauhaus, verputzter Fachwerkbau
Baugeschichte:
Die augenfällige Putzfassade in all ihrer Schlichtheit ist ein Kind des Klassizismus. Sie negiert zwei dahinter befindliche ältere Fachwerkbauten des frühen 18. Jhs mit ehemals sichtbar gelassener Fachwerkkonstruktion. Die Fassade gliedert sich in zwölf, leicht gruppiert orientierte Fensterachsen, die lediglich durch eine dorisch geprägte Toreinfassung die beiden Untergeschosse unterbrechen und dort die Fensterreihungen jeweils auf neun reduzieren. Rechter Hand des heute nur fußläufig zu benutzenden Tores zeigt eine etwas stärkere Unregelmäßigkeit der Fensterachsen die Stelle, an der durch Besitzerwechsel im Jahre 1899 ein Schaufenster für ein Beerdigungsinstitut eingebaut worden ist. Nach 1920 wurde das Ladengeschäft wieder beseitigt.
Das Tor steht außermittig zum sonst zentriert angelegten Fassadenbild. Den einzigen ornamentalen Bauschmuck bildet ein Zahnschnittfries unter dem profilierten Dachkasten am hohen Obergeschoss, das eine Wiederholung unter dem stark hervortretenden Kranzgesims des Portikus findet, der seinerseits die Toreinfahrt nach oben abschließt und seitlich von Pilastern mit kannelierten Schäften und Basen begrenzt wird. Das eigentliche Tor zeichnet die strenge klassische Geometrie fort. Fünfzehn quadratische Füllungskassetten teilen die drei bewegbaren Blattern, von denen das untere Mittelblatt eine separat zu öffnende Tür aufnimmt. Kleine Dekor-Rosetten verknüpfen die halbrunden Begleitleisten der Kassetten.
Das Mittelgeschoss offenbart sich durch seine kleinen quadratischen Sprossenfenster als Zwischengeschoss. Vielleicht diente es einmal zur Aufnahme von Waren. Die Fenster des höheren Erdgeschosses haben noch bauzeitliche Fensterläden (Einbruchschutz). Die breiten, aber schlichten Fensterbekleidungen sind einheitlich in allen drei Geschossen gestaltet. Einzige Divergenz zu den beiden Obergeschossen bilden die karnisprofilumrahmten Kassettenverblendungen mit zusätzlich untergesetzter Karnisleiste unter den Fensterbrettern, die an den Obergeschossen als einfach abgetreppte Gesimsprofile ausgeführt sind. Während die beiden Untergeschosse in der Vertikalen fluchtbündig sind, kragt das Obergeschoss noch ein wenig vor die beiden unteren hervor. Der geringe Geschossversatz wird durch eine zweifach abgetreppte Profilbohle abgedeckt, die ihre gestalterische Wiederholung am Architrav des Tores widerspiegelt. Allein die Höhe und der eingangs erwähnte Zahnschnittfries zeichnen das Obergeschoss als Béletage vor den anderen beiden Geschossen aus. Eine dreizehnte Fensterachse verschafft ein reizvolles Straßenbild in dem schmalen Abschnitt der Ostfassade mit „Ausblick“ in die obere Bäckerstraße, der nur möglich wird durch den Fassadenversatz zum Nachbargebäude, Bäckerstraße 20.
Die aus der Bauakte überlieferten Veränderungen beziehen sich weitgehend auf die heute nicht mehr existierenden Hintergebäude: Die Überlieferungen beginnen 1886 mit dem Bau eines Waschhauses im Hof. 1890 wurde ein zusätzliches Gebäude für die schon lange bestehende Gelbgießwerkstatt gebaut. 1891 wurde das Altgebäude der Gießerwerkstatt ersetzt und drei Jahre später durch ein Obergeschoss ergänzt. 1895 stockte man einen Teil des östlichen Hofgebäudes auf. Eine Erweiterung der Werkstatt erfolgte nochmals 1897. Schlussglied der regen Bautätigkeit bildet schließlich der Neubau einer dritten Etage auf das westliche Seitengebäude im Jahre 1900.
Auch die straßenbegleitenden Gebäude befinden sich 1992 in einem derart desolaten Zustand, so dass die Denkmalbehörde einem Abriss zugestimmt hatte. Um die Front der alten Häuser nicht zu zerstören, wurde die Substanz so weit wie möglich erhalten und das Haus in einen heutigen Ansprüchen genügenden Zu-stand versetzt. Die Hoffassade zeigt die extrem schrägen Fußböden.
Eigentümer Das Gebäude-Feuerkataster vom Jahr 1804 weist für dieses Haus zwei Hausnummern (517 u. 518) aus – mit dem Zusatz: „ist ein Haus“. Als Eigentümer wird ein S. Mylius genannt, wobei hier das „S.“ als Titulaturkürzel für Senator steht. Unzweifelhaft handelt es sich hierbei also um ein Mitglied der alten Ratsherrenfamilie, den ebenfalls städtische Ämter bekleidenden Senator Mylius. Auf dieselbe Person, mit uns unbekanntem Vornamen, treffen wir über korrelierende Nachbarschaftsangaben im Nordhäusischen Wöchentlichen Nachrichts-Blatt von 1795 und 1798 „Senator Mylius jun.in der Beckergassse“. Vermutlich ist David Mylius (1713-22.12.1792) sein Vater, der uns in dem gleichen Wochenblatt über eine Anrainer nennung vom 21. Juli 1777 als Hauseigentümer für eben diese beiden Häuser überliefert ist. Seine Mutter ist die 69-jährige, am 2. Juli 1788, verstorbene Marie Magdalena Mylius Sie stammte aus der Bierbrauherrenfamilie Kranert. Beide Eltern wurden auf dem Nicolaikirchhof beerdigt. Für die baugeschichtliche Betrachtung des Hauses spielt höchstwahrscheinlich nur ihr Sohn, Senator Mylius jun., die entscheidende Rolle. Der Blick auf den strengen klassizistischen Duktus der Straßenfassade rückt das Gebäude zeitlich zwingend in die Phase um 1800. Dies korreliert mit der wahrscheinlichen Übernahme des Hauses nach dem Tod des Vaters (1792) sowie dem grafischen und schriftlichen Eintrag im Hauskataster (1804), bei dem es sich zwar um zwei Hausparzellen mit separaten Hausnummern, aber trotzdem um „ein Haus“ handelt. Diese Indizien sind ein Indikator dafür, dass eine Umgestaltung der beiden älteren Fachwerkbauten unter einer vereinenden Putzfassade zu diesem Zeitpunkt bereits geschehen sein muss. Der Umbau dürfte demnach zwischen 1792 und 1804 anzunehmen sein. Die ästhetische Sachlichkeit der Fassadengestaltung mit Bezug auf das Wesentliche, könnte durchaus einer Person zugesprochen werden, die mit öffentlichen Ämtern betraut, im sozio-kulturellen Sinne den Blick durch ihr Tagesgeschäft geschärft hat, so dass es nicht abwegig erscheint, Mylius jun. die fachwerknegieren-de Maßnahme zuzutrauen, eine vornehme Fassade vorzublenden und sein Haus gegenüber dem „Provin-zialismus“ des umgebenden Stadtbildes zu akzentuieren.
Im 1824er Adressbuch ist in dem Haus inzwischen ein Dr. med. Franz Girard ansässig, der hier auch seine Praxis betreibt. Das Haus steht während dieser Zeit in Verwaltung der Erbengemeinschaft Mylius. Girad wird schließlich ab 1846 bis 1853 als Eigentümer des Hauses genannt, 1856 seine Erben. Mieter ist zu die-sem Zeitpunkt Carl Ludwig Gör(c)ke, ein Doktor der Philosophie, der zwischen 1858 und 1870 Hauswirt ist und im Objekt eine Erziehungs- und Unterrichtsanstalt unterhält. 1874 hat ihn seine Frau Friederike beerbt, etwa 1881 muss auch sie gestorben sein. Zu den Erben gehört wohl auch der Hotelbesitzer Teichmann aus Ellrich – zumindest ist er 1885 erwähnt. Im Jahr darauf werden der Gürtler und Gelbgießermeister Robert Hoffmann und seine Ehefrau Ida, geb. Goercke, in Nordhausen zu gleichen Teilen Eigentümer. Als Gürtler scheint er nur noch bis 1893 tätig zu sein, die Gelbgießerei und Metallwarenfabrik bestehen weiter. Nach der Besitzübernahme durch den Tischlermeister Karl Höfer aus Nordhausen Anno 1899 wird rechts neben der Toreinfahrt ein Schaufenster eingebaut. 1900 wirbt er neben dem Tischlereibetrieb mit einem „Lager fertiger Holz- und Metallsärge“. 1902 ist die Witwe Friederike Höfer, geb. Ibe, Eigentümerin. Das Geschäft mit dem Tod avanciert zum „1. Beerdigungsinstitut und Sargfabrik mit Kraftbetrieb“, ab 1904 gibt es auch Telefon. Nach der Geschäftsverlagerung, kurz vor dem 1. Weltkrieg, bleibt Friederike Höfer bis 1928 im Haus wohnen. 1919 kauft es der Schlosser Gustav Knolle mit Auflassung vom 19. September 1919 für 39.000 Mark, am 1. März 1921 der Rentner Gustav Joedicke für 50.000 Mark (Eintrag vom 5.7.1921). Nach ihm erwirbt es mit Kaufvertrag am 24. Januar 1928 Karl Kindling, der eine Tischlerei mit Beerdigungsinstitut in der Kasseler Straße 25 betreibt und mit Grundbucheintrag vom 28. Januar 1929 steigt für 16.184 Mark der Tischlermeister Louis Tolle aus der Sangerhäuser Straße hälftig mit in das Geschäft ein. Kindling tritt jedoch am 1. Oktober 1936 seine Hälfte der Immobilie an Louis Tolle ab, der seinerseits den Betrieb in eine reine Tischlerei umwandelt. 1949 betreibt das Geschäft Wilhelm Tolle (geb. 23.6.1898). Der grundbuchamtliche Eintrag erfolgt für ihn und Luise Methfessel, geb. Tolle (geb. 26.2.1901), beide in Nordhausen, je zur Hälfte am 12. Januar 1972. 1980 wird die Hälfte des Grundstückes in Volkseigentum überführt und gelangt damit an die Kommunale Wohnungsverwaltung (KWV). 1992 erfolgt der Kauf mit Investitionsvorrangbescheinigung von der Stadt Nordhausen für 125.000 DM durch Caroline und Andreas Lesser aus München mit der Lesser Sanierungs GbR, die es 2000 der Friedrich-Christian-Lesser-Stiftung schenken.
Bäckerstraße 20
Alte Adresse:
Bäckergasse 516 (1804-1812), Bäckergasse 452 (1824/1834), Bäckerstraße 452 (bis 1846-1874)
Baujahr:
erbaut nach dem Stadtbrand von 1712, straßenseitig 1871/72 stilistisch überformt
Bauart:
Barock/Historismus, Wohn- und Brauhaus, später umgebauter Fachwerkbau
Baugeschichte:
Das große repräsentative, zweigeschossige Wohnhaus ist bald nach dem großen Stadtbrand von 1712, der die Altsubstanz vernichtete, errichtet worden. Höchstwahrscheinlich hat auch dieses Gebäude früher ein sichtbares Fachwerk an der Straßenfront zur Schau getragen. Die überaus reich mit klassischen Elementen dekorierte Zierfassade ist eine spätere Zutat des Historismus. Die Bauakte des Hauses überliefert uns als Bauherrn den damaligen Eigentümer des Hauses, den Brennherrn und Ökonom Hermann Spangenberg. Er lässt das Haus 1871/72 großzügig umbauen, wobei nicht nur durch den Austausch der kompletten Straßenfassade die Geschossauskragung des Obergeschosses verschwindet sondern im Inneren ein großzügiges Treppenhaus mit Wandschmuck geschaffen wird, mehrere neue Innenwände gesetzt und Teile der zur Einfahrt ausgerichteten Westfassade erneuert werden. Breite, glatt verputzte Pilaster gliedern die vollverputzte Straßenfassade in einen leicht vortretenden Mittelrisalit und zwei annähernd symmetrisch angeordnete Fassaden mit einem großen Tor und einer zweiflügeligen Haustür. Während die Seitenfassaden eine Breite von je vier Fensterachsen besitzen, nimmt der Risalit drei Fensterachsen ein. Er wird durch reichen, sich wiederholenden Stuckaturenschmuck geziert. Hier besitzen die die Fenster im Obergeschoss Lünettenbekrönungen in Form von weiblichen Grotesken (mit Rechen und Ährenbündel), umrankt von Akanthusblattwerk mit Weinblättern, Trauben und hopfendoldenähnlichen Früchten. Zwischen den Fenstern sind kleine kannelierte Pilaster und Blattkapitelle angeordnet. Die Brüstungskassetten unter den Fenstern sind mit Akanthusranken und Palmetten gefüllt. Ein profilier-tes Gurtgesims trennt beide Geschosse, begleitet von einem stuckierten Akanthuslaubfries. Die darunter anschließenden Fenster werden von Pilastern mit glatten Schäften und schmucklosen Brüstungskassetten eingefasst. Der sich über der Dachtraufe öffnende Giebel mit seitlichen Postamenten ist eine gelungene Bauergänzung von 1993/94, als das Dachgeschoss zu Wohnungen ausgebaut wurde. Entgegen dem Mittelrisalit besitzen die seitlichen Fassadenflächen wenig Zierrat. Lediglich das profilierte Traufgesims mit Zahnschnitt erstreckt sich über die gesamte Fassade, ebenso das Gurtgesims. Die Fenster des Obergeschosses besitzen ein Überdachungsgesims mit eingefügtem Stucktondo und Putte. Die Bekleidungen sind wie im Erdgeschoss schlicht gehalten. Der Fassadenfond ist glatt mit Kalkmörtel verputzt. Hofseitig zeigt sich das Fachwerkbild des frühen 18. Jahrhunderts.
Die besondere Gestaltung des Gebäudes durch den Fassadenumbau, bislang lediglich durch die restauratorische Voruntersuchung (1992) stilgeschichtlich gedeutet, erhält durch das Leben des verantwortlichen Bauherrn eine ganz neue Erklärung. Sowohl Hermann Spangenberg als auch sein Schwiegersohn Karl Günther können mit dem städtischen Bauernhof und dem eng verknüpften einträglichen Geschäft der Kornbrennerei als solvente Vertreter des gehobenen Bürgertums gelten. Hierdurch sind nun auch die Rechen und die Ährengarben, die durch die Figurinen in den Lünettenfeldern präsentiert werden, nicht einfach nur als „Attribute des Sommers“ zu verstehen, sondern sie nehmen in besonderer Weise Bezug auf die berufliche Tätigkeit des Bauherrn bzw. Hauseigentümers als „Oekonom“ und lassen ihn, nicht nur als einen der Landwirtschaft nahestehenden, sondern auch kreativen Menschen identifizieren. Einen weiteren Bezug zwischen Gebäudeschmuck und Hauseigentümer stellt jeweils der Tondo in den beiden Türflügeln der Hauseingangstür mit dem reliefartigen Profilbildnis einer jungen Frau und eines augenscheinlich älteren Mannes dar. Ob sich jedoch der Auftraggeber der Baumaßnahme von 1870/71 und gleichzeitige Eigentümer des Hauses, Hermann Spangenberg mit seiner Gemahlin hier abbilden ließ, ist fraglich. Beide dürften zum Schaffenszeitpunkt der Tür nicht mehr das Alter für eine so verhältnismäßig junge Darstellung gehabt haben, immerhin verstarb Hermann Spangenberg 1879. Was ihn im Grunde dazu bewog, eine derart verschwenderische Prunkfassade zu spendieren, ist rätselhaft. Vielleicht sah er sich durch die 1847/48 erfolgte luxuriöse Bauleistung seines Vaters Friedrich Spangenberg im Altendorf 733/ 736 (heutige Nr.24) veranlasst, Ähnliches ihm gleich zu tun. Würde sich allerdings herausstellen, dass die Bildnisse auf der Tür seine Tochter Alwine und seinen Schwiegersohn Carl Günther darstellen, könnte es sich mit dem generösen Umbau des Hauses und somit auch der Türgestaltung vielleicht um ein Brautgeschenk des Vaters handeln. Dafür spricht auch die zeitliche Nähe des Einzugs des jungen Paares nach Abschluss der Baumaßnahme (1873/74 wohnen Alwine, geb. Spangenberg und Carl Günther bereits in der Bäckerstraße). Verschwiegen werden darf allerdings nicht, dass Spangenberg zusammen mit Tochter und Schwiegersohn den alten Brennerei- und Bauernhof im Grimmel Nr. 850/851 verließ, um in der Bäckerstraße zu wohnen. Auch die Konstellation Tochter und Vater auf den Türflügeln ist in Anbetracht des offensichtlichen Altersunterschiedes der dargestellten Personen denkbar. Die Bildniszuordnung bleibt inso fern schwierig. Eine Ermittlung der Lebens- und Heiratsdaten aller relevanten Akteure könnte dies klären.
Das Haus Bäckerstraße 20 war das erste in diesem Quartier, das in den Jahren 1993/94 saniert wurde. Hierzu mussten im Hof verschiedene baufällige Gebäude abgerissen werden, um die vorhandene, enge Bebauung durch mehr Luft und Sonne wohnlich zu gestalten. Noch heute belegen diese Umbauten und das teilweise noch vorhandene historische Parkett sowie der in einigen Räumen vorhandene Deckenstuck den großbürgerlichen Charakter dieses Hauses. Die teilweise mangelhafte Sanierung der durch Handwerker und Fehler des bauleitenden Architekten erzwangen eine erneute Fassaden- und Fenstersanierung im Jahr 2003.
Eigentümer Im Juli 1777 wird im Wöchentlichen Nordhäusischen Intelligenz-Blatt der Nachlass des verstorbenen Handwerksmeisters Heinrich Christoph Spangenberg „ein Wohnhaus in der Beckergasse zwischen Frau Rel. Schäfern und David Mylius wie auch ein Wohnhaus im Altendorf neben Frau Scheflern nebst den Branntweins-Laboratorio und dem Nebenhäußchen in der Kirchgasse neben Valrin Roden oder Rothen“ gegen ein Gebot von 800 Reichstalern angeboten. Durch die Identifizierung der Nachbarn wissen wir, dass es sich bei dem in der „Beckergasse“ um das später mit der Hausnummer Nr. 516 und das im Altendorf mit Nr. 26 und Nr. 27 (=Nebenhaus) bezifferte Gebäude handelt. Letztlich erhält Spangenbergs hinterbliebene Ehefrau Anna Marie, geb. Kranert, die Immobilie in der Bäckerstraße. Das Wohn- und Nebenhaus im Altendorf/Altendorfer Kirchgasse sowie die dort eingerichtete Branntweinbrennerei erhalten seine beiden Söhne Johann Friedrich und Heinrich Carl Spangenberg. Nicht ganz klar dabei ist, in welcher Anteilskonstellation. Scheinbar war letztgenannter nicht an der Führung des Brennereibetriebs beteiligt, denn im Jahre 1802 wird Heinrich Carl lediglich als „Brennereiberechtigter“ beim Kauf für 2000 Taler des mütterlichen Hauses in der Bäckerstraße bezeichnet. Am 9. Juni 1824 verstirbt Heinrich Carl knapp zwei Wochen vor seinem 58. Geburtstag. Das Erbe fällt erst 1826 an seinen im Altendorf mit einer Brennerei aktiven Bruder Johann Friedrich Spangenberg. Beide Grundstücke gelangen so wieder in eine Hand. Durch sukzessiven Zukauf vier weiterer nachbarschaftlicher Grundstücke im Altendorf kann er dort 1842 (Bauinschrift) ein größeres Brennereigebäude errichteten, welches er ca. 1847/48 durch ein großes opulentes Wohngebäude (heute Altendorf 24) ergänzt. Dies veranlasst ihn für die Dauer der Baumaßnahme den Brennereibetrieb in die Bäckerstraße zu verlegen. Am 15. Januar 1849 verfasst er sein Testament. Mit Kodizill vom 10. Oktober 1850 wird das Haus in der Bäckerstraße am 22. Januar 1851 seiner Witwe Dorothee Spangenberg, geb. Busse, übertragen. Sie verkauft es am 31. März 1853 für 4000 Taler Courant an ihren Sohn Hermann Spangenberg. Bis 1863 wohnt sie in diesem Haus. In den Adressbüchern ist sie merkwürdigerweise bis dahin weiterhin als Hauseigentümerin verzeichnet. Die Bauakte erwähnt Hermann dort 1864 als Eigentümer und ab 1865 auch die Adressbücher, seine Mutter ist scheinbar 1863 gestorben. Dort gründen im Jahr darauf die eingemieteten Brüder Carl und Herrmann Günther die Kornbrennerei „C. & H. Günther“. Hier stellen sich bezüglich des Ablaufs der Produktionswege und -verwertung günstige Synergien zwischen Brennereibetrieb und Ackerhof ein (Getreideverwertung für Kornbrand-Abfallprodukt Schlempe für die Schweinemast). Carl findet in dieser Situation zusätzlich eine Anstellung innerhalb des Hofes im Landwirtschaftsbetrieb seines Vermieters. Hier lernt er Alwine, geb. Spangenberg, die Tochter des Hauswirts kennen. Die Heirat der Tochter Spangenbergs mit Carl Günther führt das junge Paar in den alten Erbhof in der Bäckerstraße. Mit ihnen bezieht auch Hermann Spangenberg die auf seine Veranlassung völlig umgebaute und weiterhin in seinem Eigentum stehende Immobilie. Das Ehepaar Günther übernimmt um 1874 zunächst Brennerei- und Landwirtschaftshof im Grimmel. Carl zieht sich wenig später aus der gemeinschaftlichen Brennerei seines Bruders zurück. 1879 erbt Alwine Günther von ihrem Vater Hermann Spangenberg laut Erblegitimationsattest vom 17. April 1879 und Eintrag am 24. Juni 1879 das Haus in der Bäckerstraße. Das Erbe versetzt die Günthers in die Lage, eine repräsentative Villa in der Grimmelallee 12 zu erwerben, in der sie bis zu ihrem Tode wohnen. Das Grundstück in der Bäckerstraße erhält 1897 der bereits im Nachbargrundstück ansässige Kautabakfabrikant Adolph Sevin (Fa. Walther & Sevin, Tabak-, Zigarren- u. Kautabakfabrik, gegr. 1873). Der in der Firma als Prokurist seit etwa 1900 beschäftigte Wilhelm Uhlenhut (ab 1913 Teilhaber der Firma) heiratet Martha Uhlenhut, die Tochter des Firmenchefs – sie wird am 29. Oktober1915 im Grundbucheintrag eingetragen. Nach dem 1. Weltkrieg übernimmt ihr Mann die Firma. Spätestens 1945 übernimmt die Nordhäuser Tabak AG die Firma. 1948 gehört das Grundstück der Vereinigten Thüringer Tabakfabrik Werk Nortak-Hanewacker. 1949 ist die Tischlerei Hermann Berger im Grundstück ansässig. 1954 erhält die Witwe Charlotte Struve, geb. Uhlenhut (geb. 11.03.1896), die Bäckerstraße 20, vermutlich im Erbgang und 1961 dann Wolf-Dieter Uhlenhut (geb. 13.12.1936), Schiffsmakler in Hamburg, wohl als Erbe. Dessen Erben Marita Uhlenhut, Uta-Andrea Uhlenhut und Hans-Ulrich Uhlenhut waren wohl nicht im Grundbuch eingetragen, erhielten aber den Kaufpreis (180.000 DM) mit Kaufvertrag am 11. März 1992 durch Caroline und Andreas Lesser, München. 2000 erfolgte die Schenkung an die Friedrich-Christian-Lesser-Stiftung.