Käthe-Kollwitz-Straße
Käthe-Kollwitz-Straße 14
Alte Adresse: Unbebaute Ackerfläche – so genannter „Spiegelplan/auf dem Spiegel“ (1865), An der Neuen Promenade 1487 (1870-1872), Neue Promenade 14 (1874), Promenadenstraße 14 (1874-1937), Straße der SA 14 (23.02. 1937-1945)
Bauherr: August Beatus, Zimmermeister und Baumeister
Baujahr: 1871
Bauart: Historismus, Fachwerk der Gründerzeit im Stil italienischer Neorenaissance
Baugeschichte:
Das Haus Käthe-Kollwitz-Straße 14 wurde im Jahre 1871 im Stil der italienischen Renaissance errichtet. Im Zuge der ersten nordöstlichen Stadterweiterung der Neuzeit in den Jahren 1860/75 erfolgte auf dem damaligen so genannten „Spiegelplan“ u.a. die planmäßige Anlage der Promenadenstraße, an deren nördlichem Ende der Nordhäuser Zimmermeister August Beatus dieses Gebäude baut. Der Zimmereibetrieb und sein Wohnsitz befinden sich in der Halleschen Chaussee 1402a. Sein Betrieb ist einer der größten der Stadt und wie andere Akteure der Baubranche auch, tritt Beatus als Bauträger in Erscheinung und errichtet an vielen Stellen der Stadt preiswerte Mietshäuser aber auch hochwertigere Gebäude für das aufstrebende gehobene Bürgertum, um sie dann schlüsselfertig zu verkaufen. Der 1871 gewonnene Krieg gegen Frankreich löst einen im Deutschen Reich ungeahnten Bauboom aus, der die eigentlichen Gründerjahre nach der zweiten deutschen Reichsgründung lange überdauert.
Das konstruktive Fachwerk der Villa mit den verputzten Fassaden ist typisch für das dritte Viertel des 19. Jahrhunderts im Nordhäuser Villenbau. Noch herrscht zu dieser Zeit der Fachwerkbau vor, der Anschein des „Massiven“ wird neben dem Verputzen der Konstruktionshölzer und der Verwendung von Stuckornamentik vor allem mit einer Art Bretterarchitektur erzeugt, die den Fachwerkbau in der Gründerzeit der Jahre 1860/70er Jahre auszeichnen. Ein flügelartiger West- und Nordbau umschließt einen oktogonalen Erker. Über dem vieleckigen Gebäudegrundriss erheben sich auf einem massiven Sockel zwei Geschosse und ein Mezzaningeschoss, das von einem gestalteten Gesims unter der Dachtraufe abgeschlossen wird. Das Obergeschoss wird durch ein aufwendig gestaltetes Gurtgesims und reiche Fensterverzierungen als „Belétage“ ausgewiesen. Die westliche Schaufront spiegelt in der Verwendung von Pilastern mit Kompositkapitellen und der Kontraktion der zwei mittleren Fensterachsen zu einem zentralen Baumotiv (risalitähnlich) den herrschaftlichen Anspruch der Architektur wider. Bauzeitlich hat sich an der Grundstücksgrenze entlang der Wallrothstraße der gusseiserne Zaun und ein hölzerner Gartenpavillion erhalten. Mit diesem Gebäude hat sich in Nordhausen ein recht frühes und einzigartiges Beispiel eines repräsentativen Villenbaus erhalten, ein gelungenes Beispiel der Villenarchitektur dieser Zeit. Nach dem Erwerb des zu DDR-Zeiten recht verwahrlosten Gebäudes durch die Lesser Sanierungs GbR wird das Gebäude 1992 umfangreich restauriert. Während dieser Bauarbeiten ersetzt man das flache Satteldach durch ein Mansarddach. Die Dachhaut wird als Reminiszenz an die Gegenwart mit einer Blechverkleidung versehen.
Eigentümer:
Erst um 1874 gelangt die Immobilie in das Eigentum des solventen „Particuliers“ Carl Reinbothe, der es mit seiner Frau Natalie bewohnt und im Haus noch eine Mietwohnung unterhält. 1888 ist seine Frau als Witwe nachweisbar, sie muss aber bald danach gestorben sein. 1891 wird das Haus von ihrem Sohn Hermann, einem Gerichtsreferendar, genutzt. Von ihm erhält es Robert Niebuhr, der zunächst (1893) Prokurist und später (1895) Eigentümer einer Branntwein- und Likörfabrik wird. Um die Jahrhundertwende wird das Gebäude an den Brennereibesitzer Eduard Kuntze verkauft, der es jedoch nicht selbst bewohnt. Die Mieter jener Jahre waren vor allem gut betuchte Nordhäuser Witwen. Die Namen klingen wie das Who is Who der Nordhäuser Wirtschaftsgeschichte: Witwe Anna Rosenthal, Witwe Natalie Trützschler v. Falkenstein, Kaufmann Erich Kranz (Teilhaber der Fa. F. W. Wolfram), Bankier Franz Hahn (Teilhaber des Bankhauses H. Bach). 1908 gehört das Haus einer Familie Rothe aus Hain, die 1910 nach Rastenberg verzog. 1912 erwirbt der Fabrikant Adolf Sevin das Gebäude. Auch er zieht nicht selbst ein, sondern wohnt im Grundstück seiner Tabak-, Zigarren- und Kautabakfabrik in der Bäckerstraße 20/21. Erst mit seinem Ableben nimmt die Witwe Alma Sevin das Haus als Alterssitz. Noch vor ihrem eigenen Tod (ca. 1928) geht das Haus um 1926 in das Eigentum der seit 1924 als Mieterin im Haus lebenden Klara Willecke über. Am 11. Januar 1991 erwirbt die Lesser Sanierungs GbR das verwahrloste Haus für 125.000 DM von Joachim Karl Richard Willecke. Im Jahre 2000 schenkt die Lesser Sanierungs GbR das Gebäude der Stiftung.